Tyras-Blog

Wie heute "diskutiert" wird

Stand:
2021-04-30 06:32:14
Kategorie:
Politik

Vor kurzem war die Aktion #allesdichtmachen ja noch in aller Munde und auch jetzt wird noch hier und da darüber geredet. Ich möchte mich jetzt weniger mit der Aktion selbst befassen, aber mit dem, was drumherum alles passiert ist und inwiefern es die Debattenkultur widerspiegelt. Dennoch erst einmal kurz, was passiert ist:

Einige deutsche Schauspieler haben sich zusammengesetzt und sich überlegt, wie sie ihren Unmut über die aktuelle Situation mit Corona und vor allem den Maßnahmen kundtun könnten. Sie haben schließlich auf Youtube den Kanal allesdichtmachen eröffnet, unter welchem diese Schauspieler jeweils ein Video hochgeladen haben, um etwas zum Thema zu sagen. Diese Aktion wurde von den Medien und von einigen Schreihälsen auf Sifftwitter teils sehr heftig "kritisiert" - während das Like/Dislike Verhältnis JEDES EINZELNEN VIDEOS, welches jetzt noch online ist, überwältigend positiv ist.

Was war also nun das Problem? Tja, nachdem ich mich ein wenig durch den Hashtag gewühlt habe, war das Problem offensichtlich der Applaus von der "falschen Seite". So soll es Zustimmung zu dieser Aktion vor allem von Querdenkern und der AfD gegeben haben - oder, wie es eigentlich heißen müsste, wenn die Schreihälse ehrlich wären, das "BÖSE". Und weil die "falschen" diese Aktion gut fanden, wurde ein derartiger Druck auf die Schauspieler ausgeübt - wir reden hier teilweise von Forderungen, dass die betroffenen Schauspieler von ihren Rollen ausgeschlossen werden sollten, weil sie es gewagt haben, Kritik zu üben, ergo Existenzvernichtung - dass einige bereits ihre Videos gelöscht haben und/oder eine riesige Distanzierungswelle gestartet haben. Um die Inhaltliche Aussage der Aktion ist es dabei meiner Auffassung nach so gut wie gar nicht gegangen.

Und damit sind wir bei meinem eigentlichen Punkt, es geht nicht mehr um Inhalte, sondern nur noch darum, wer sie ausspricht und wer sie befürwortet. Unser Land ist derartig gespalten, dass es nur noch Freund/Feind Denken gibt, und bist du nicht zu 100% für mich, bist du gegen mich. Dies ist schon weitaus länger der Fall. Es wird nicht mehr wirklich über Inhalte und tatsächliche Ansichten debattiert, es wird einem ein Label verpasst und Ansichten unterstellt, die man so nicht vertritt. Ich habe dies auch schon oft genug selbst erlebt. Auf einmal ist es nicht mehr wichtig, um was es eigentlich ging, sondern nur noch darum, ob ich rechts bin oder nicht. Und wenn der Diskussionspartner zu dem Schluss kommt, man sei rechts, ist die Diskussion beendet.

Noch schlimmer ist es natürlich, wie bei oben erwähnter Aktion, wenn man das schmutzige Label aufgedrückt bekommt, weil einem die "falschen" zustimmen. Kontaktschuld nennt man das und ist wohl ein derartiger Blödsinn, dass einem schlecht werden kann. Man kritisiert etwas, jemand stimmt dieser Kritik zu, also muss man jedem Punkt desjenigen, der zugestimmt hat, vertreten? Nein? Dann ist Kontaktschuld hier ein unberechtigter Vorwurf und das schmutzige Label ungültig. Und nein, liebe Schreihälse, nur weil sie sich, möglicherweise, einen Kritikpunkt teilen, sind sie nicht allgemein gleichzusetzen.

Also halten wir kurz fest: Unsere aktuelle Debattenkultur besteht im Prinzip nur noch daraus, wer etwas sagt, wer dem Gesagten zustimmt und nicht mehr, was eigentlich gesagt wurde. Daraufhin wird einem dann ein schmutziges Label aufgedrückt und die Diskussion ist hiermit beendet. Großartig. Das bringt uns sicherlich weiter.

Ich möchte schlussendlich noch folgende Fragen in den Raum werfen: Ist man wirklich an einer ernsthaften Diskussion interessiert, wenn man nur krampfhaft versucht, jemanden ein Label aufzudrücken? Egal ob das jetzt das Label "rechts" oder "linksgrünversifft" ist, welche Rolle spielt es denn am Ende? Sollte es nicht der inhaltliche Punkt sein, der wichtig ist? Wenn ja, warum dann das Label?